Materialkunde: Was man für den perfekten 3D‑Druck wissen muss
PLA, PETG, ABS, TPU, Nylon/PA, PC & PEEK – Eigenschaften, Druckeinstellungen, Problem‑Fixes, Lagerung & Nachbearbeitung. Der praxisnahe Guide für Makers & Unternehmen.
Inhalt
Die Basics: Was macht ein gutes 3D‑Druck‑Material aus?
- Druckbarkeit: verlässliche Extrusion bei moderaten Temperaturen, saubere erste Schicht.
- Verzug & Schrumpf: geringes Warping nach dem Abkühlen.
- Mechanik: Zugfestigkeit, Schlagzähigkeit, Flexibilität passend zum Einsatz.
- Thermik: Glasübergang & Wärmeformbeständigkeit für Umgebungsbedingungen.
- Nachbearbeitung: Schleifen, Bohren, Kleben, chemisches Glätten.
- Beständigkeit: UV, Feuchte, Chemikalien – je nach Anwendung.
PLA – der unkomplizierte Allrounder
- Druck: 185–220 °C | Bett 0–60 °C | kaum Warping
- Thermik: Tg ~50–60 °C → nicht hitzefest
- Plus: einfach, steif, große Farbvielfalt (auch Spezialeffekte)
- Minus: spröder, UV‑empfindlich, weicht ab ~60 °C auf
- Typische Einsätze: Prototypen, Deko, Modelle, Lernprojekte
- Tipp: Für bessere Kanten Lüfter 100 % und moderate Geschwindigkeit.
ABS – robust, aber anspruchsvoller
- Druck: 210–250 °C | Bett 95–115 °C | geschlossener Bauraum ideal
- Thermik: Tg ~105 °C → deutlich hitzebeständiger als PLA
- Plus: schlagzäh, gut bearbeitbar, chemisch beständig
- Minus: Warping‑Gefahr, Emissionen → gute Belüftung
- Einsätze: Funktionsprototypen, Gehäuse, Halterungen
- Tipp: Erste Schicht hoch, Brim/Raft gegen Verzug.
PETG – die goldene Mitte
- Druck: 220–250 °C | Bett 75–90 °C
- Thermik: Tg ~80 °C | zäher als PLA
- Plus: chemikalienresistent, transparent verfügbar, wenig Warping
- Minus: Stringing‑Neigung, sehr starke Betthaftung
- Einsätze: Mechanische Teile, Behälter, Outdoor (begrenzt)
- Tipp: Langsamer drucken, Retraktion feinjustieren, Bett nicht „zu heiß“.
TPU – flexibel & widerstandsfähig
- Härte: meist 85A–98A (je kleiner, desto weicher)
- Druck: 210–250 °C | langsame 20–40 mm/s | minimale Retraktion
- Plus: sehr dehnbar (bis ~800 %), abrieb- & ölbeständig
- Einsätze: Hüllen, Dichtungen, Stoßdämpfer, Wearables
- Tipp: Direktextruder bevorzugt; Bowden nur mit sehr konservativen Settings.
Nylon (PA) – industrietauglich
- Druck: 250–290 °C | Bett 70–100 °C | Einhausung empfehlenswert
- Eigenschaften: sehr zäh, verschleißfest, schmiermittelfreundlich
- Hygroskopisch: muss vor dem Druck gründlich getrocknet werden
- Einsätze: Zahnräder, Lager, funktionale Mechanikteile
- Tipp: trocken lagern & direkt aus dem Trockner/Spulenbox drucken.
Polycarbonat (PC) – hohe Temperaturfestigkeit
- Druck: 260–300 °C | Bett 100–120 °C | Einhausung / Hochtemperaturdrucker
- Thermik: Tg ~147 °C | sehr formstabil
- Plus: schlagzäh, teilweise optisch klar
- Minus: anspruchsvoll beim Drucken, Warping möglich
- Einsätze: Funktions- & Hochtemperaturteile, Shielding, Vorrichtungen
PEEK – das Nonplusultra
- Druck: 360–400 °C | Bett ~120 °C | Kammer >70 °C | Spezialdrucker
- Plus: extreme Chemikalien‑ & Temperaturbeständigkeit
- Einsätze: Medizintechnik, Luft‑ & Raumfahrt, anspruchsvolle Industrie
- Hinweis: teuer und nur für geeignete Hardware/Know‑how sinnvoll.
Materialauswahl – der praktische Leitfaden
Für den Einstieg
- PLA: schnell zu guten Ergebnissen.
- PETG: wenn es robuster sein soll.
- TPU: für flexible Teile.
Für die Praxis
- ABS: robuste Funktionsteile und Gehäuse.
- Nylon: hoch belastbare Mechanik.
- PC/PEEK: Spezialfälle mit hohen Anforderungen.
Häufige Druckprobleme & schnelle Lösungen
- Warping/Verzug: Bett aufheizen, Einhausung, Brim/Raft, erste Schicht optimieren.
- Schichthaftung schwach: Temp erhöhen, Geschwindigkeit senken, Lüfter reduzieren.
- Stringing/Fäden: Retraktion feinjustieren, Temp reduzieren, Travel optimieren.
- Düse verstopft: Cold‑Pull, Nozzle reinigen, Filament trocknen.
- Elefantenfuß: Betttemp leicht runter, Z‑Offset prüfen, Chamfer am Modell.
- Betthaftung zu stark (PETG): dünne Schicht Klebestift/Trennmittel, Bett etwas kühler.
Lagerung & Trocknung von Filamenten
- Trocken & dunkel: luftdicht mit Silicagel, UV vermeiden.
- Temperatur: möglichst kühl (nicht >30 °C).
- Trocknungszeiten (Richtwerte): Nylon ~12 h/80 °C, PLA 4–6 h/45 °C, PETG 4–6 h/65 °C, ABS 2–4 h/80 °C.
- Pro‑Tipp: Spulenbox mit Heizer nutzen und direkt daraus drucken.
Nachbearbeitung: das gewisse Extra
- Mechanisch: Schleifen, Bohren/Fräsen, Polieren.
- Chemisch: ABS per Acetondampf glätten; andere je nach Lösungsmittel.
- Beschichten: Primer + Lack für Optik/Schutz; Metallisierung für Effekte.
Trends & Ausblick
Recycelte Filamente, Verbundwerkstoffe (Carbon/Glas), wasserlösliche Supports (PVA/HIPS), leitfähige Filamente und wachsende Kompatibilität mit Ökosystemen. Kurz: mehr Performance bei besserer Nachhaltigkeit.
FAQ – Materialkunde kompakt
Welches Filament soll ich als Anfänger nutzen?
Starte mit PLA. Wenn es robuster sein soll, wechsel zu PETG. Flexible Teile: TPU.
Welches Material ist outdoor‑tauglich?
PETG ist oft eine gute Wahl; ABS/Nylon mit Vorsicht (UV‑Schutz). PLA eher nicht.
Wie verhindere ich Warping?
Heizbett, Einhausung, Brim/Raft, langsame erste Schicht, korrekter Z‑Offset.
Muss ich Filament trocknen?
Ja – besonders Nylon/PA. Auch PLA/PETG profitieren nach längerer Lagerung.